In der Schweiz ist jede vierte Person eine betreuende Angehörige oder ein betreuender Angehöriger. Über eine halbe Million Menschen – Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder – betreuen jemanden aus ihrem Umfeld. Im Erwerbsalter pflegt fast jede fünfte Person jemanden und geht gleichzeitig einer bezahlten Arbeit nach. 

Was pflegende und betreuende Angehörige leisten, ist von unbezahlbarem Wert – nicht nur für ihre Nächsten, sondern für die ganze Gesellschaft. Viele unterstützungsbedürftige Menschen möchten in der vertrauten Umgebung wohnen bleiben. Es sind meist pflegende oder betreuende Angehörige, die diesen Wunsch erfüllen.

Betreuende Angehörige sind besonders belastet
Sich um Angehörige zu kümmern, kann bereichernd, manchmal aber auch belastend sein – insbesondere, wenn die Betreuungssituation sehr intensiv ist und lange andauert. Studien belegen, dass betreuende Angehörige ein höheres Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen haben. Umso wichtiger ist es, dass auch betreuende Angehörige Unterstützung erhalten, um sich und der eigenen Gesundheit Sorge tragen zu können. 

Auf der Webseite www.zepra.info/angehoerige finden betreuende Angehörige aus dem Kanton St.Gallen Informationen und Angebote zur Unterstützung und Entlastung.

Engagement der betreuenden Angehörigen sichtbar machen
Rund um den 30. Oktober finden jeweils schweizweit Aktionen statt, um den Einsatz der betreuenden Angehörigen zu würdigen. Im Kanton St.Gallen beteiligen sich auch 2025 wieder viele Gemeinden, die regionale Spitex sowie weitere Organisationen an der Aktion des Amtes für Gesundheitsvorsorge.

Der Gemeinderat Oberuzwil bedankt sich anlässlich dieses Tages herzlich bei den betreuenden Angehörigen für ihr grosses und wertvolles Engagement. Was Sie leisten, ist von unbezahlbarem Wert – für die von Ihnen betreuten Menschen sowie für die gesamte Gesellschaft.

***

Eine betreuende Angehörige berichtet:

«Ich will wissen, was auf mich zukommt»
Die St.Gallerin Doris Schwartz begleitet eine langjährige Freundin seit deren Alzheimer-Diagnose im Alltag. Mit einem Vorsorgeauftrag und der Unterstützung durch eine Angehörigengruppe bereitet sie sich auf die kommenden Herausforderungen vor. So wie Doris Schwartz leistet in der Schweiz jede vierte Person im Laufe ihres Lebens unbezahlte Betreuungsarbeit für Angehörige.

«Für mich war sofort klar, dass ich mich um meine Freundin kümmern würde», sagt die in der Ostschweiz lebende Doris Schwartz. Sie erinnert sich an jene Zeit vor zwei Jahren, als sie von der Alzheimer-Diagnose einer ihrer besten Freundinnen erfuhr. Die Freundschaft reicht 35 Jahre zurück. Gemeinsame Reisen und Wanderungen verbinden die beiden Frauen. «Wir fühlen uns wie Schwestern miteinander verbunden. Und da meine Freundin keine Familienangehörigen in der Nähe hat, die sich um sie kümmern könnten, war es für mich selbstverständlich, das zu übernehmen», sagt die 72-Jährige.

Bereits einige Jahre vor der Diagnose haben die beiden Frauen gegenseitig einen Vorsorgeauftrag unterschrieben. Dieser Vorsorgeauftrag macht Doris Schwartz zur gesetzlichen Vertreterin ihrer Freundin, wenn diese nicht mehr urteilsfähig sein wird. Nach der Diagnose ihrer Freundin ist Doris Schwartz der Angehörigengruppe von Alzheimer St.Gallen/beide Appenzell beigetreten. «Ich wollte mich so früh wie möglich mit anderen Betroffenen vernetzen, damit ich weiss, welche Herausforderungen und Aufgaben auf mich zukommen könnten», sagt sie. 

Lernen, geduldig zu sein
Die erste Herausforderung für Doris Schwartz war ihre eigene Geduld. «Diese habe ich schnell verloren und einen etwas heftigeren Ton angeschlagen, wenn mich meine Freundin immer wieder dasselbe gefragt oder etwas nicht gleich verstanden hat», sagt sie. «Durch die Gespräche mit den anderen Angehörigen habe ich erfahren, dass es diesbezüglich allen gleich geht. Die Betroffenen machen das nicht extra, es ist Ausdruck der Krankheit.» Der Austausch mit anderen in derselben Situation helfe, das zu verinnerlichen und gelassener zu werden.

Noch befindet sich die Freundin von Doris Schwartz im Frühstadium von Alzheimer. Sie lebt selbstständig in ihrer eigenen Wohnung, ist aber auf Unterstützung im Alltag angewiesen. Dazu gehört alles Administrative sowie Hilfe bei der Orientierung durch Zeit und Raum. Welchen Knopf muss man im Lift drücken? Welcher Bus fährt in die gewünschte Richtung? Wie lässt sich im Tolino ein neues Buch öffnen? Das sind einige Beispiele für alltägliche Dinge, bei denen Doris Schwartz ihre Freundin mehrmals täglich unterstützt. Sie schreibt für sie auch Listen und Wochenpläne: Am Montag geht es mit einem bestimmten Bus ins Turnen, am Mittwoch mit einem anderen Bus in die Tagesklinik und für das gemeinsame Mittagessen ist wiederum eine andere Verbindung vorgesehen. «Ausserdem habe ich gerade heute festgestellt, dass ich fortan wohl mit zu ihren Arztbesuchen gehen sollte», sagt Doris Schwartz, da ihre Freundin zunehmend Mühe habe, ihre Beschwerden klar zu äussern und immer mehr vergesse.

Auf Teamarbeit angewiesen
Die kommenden Monate möchte Doris Schwartz so nehmen, wie sie kommen. Von ihren Besuchen bei der Angehörigengruppe weiss sie von den zunehmenden Belastungen, die auf einen zukommen. «Es gibt Angehörige, die die Betroffenen rund um die Uhr pflegen, obwohl ihre eigenen Kräfte schon längst erschöpft sind», sagt sie. Steige die Belastung für die Angehörigen, gehöre es zu den grössten Herausforderungen, sich nicht selbst zu vernachlässigen, sondern sich Unterstützung zu holen und für Entlastung zu sorgen. Doris Schwartz teilt sich einige Aufgaben mit einer weiteren Freundin, die einspringt und Termine oder gemeinsame Aktivitäten übernimmt. Sie sagt klar: «Ganz allein könnte man das nicht machen.»